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PANEL Online, Ausgabe eins, März 2006

Ein Kaffee mit Will Eisner

Interview von Stefan Ernsting

Anfang 2005 starb mit Will Eisner einer der größten und anerkanntesten Comicschaffenden überhaupt. Seit den Dreißiger Jahren (mit einer längeren Pause in den Sechzigern) arbeitete Eisner unermüdlich daran, dem Medium Comic neue Formen, Möglichkeiten und Impulse abzugewinnen. Stefan Ernsting traf den Meister auf dem Erlanger Comicsalon 1992. Das Gespräch war kurz, gibt aber wie jedes längere die Persönlichkeit und den Humor Eisners wieder.

Will Eisner trinkt nur noch morgens Kaffee und dann erst nach einem Glas Wasser. "Das ist gut für die Nieren" meint der 77jährige Autor und Zeichner, der ernsthaft um meine Gesundheit besorgt zu sein scheint. "Früher habe ich bei der Zeitung immer sehr viel Kaffee getrunken, während ich den 'Spirit' gemacht habe. Muß man ja, aber man braucht auch einen gewissen Anteil Leben, um zu verstehen, was ich so tue. Also trink ruhig, du bist noch jung und mußt dir noch keine Sorgen machen …"

Will Eisner hat das uramerikanische Medium Comic fast allein erfunden und es dürfte in der gesamten Branche niemanden geben, der die Arbeiten des alten Mannes nicht ganz oben auf die Bücherliste für die Insel schreiben würde. Mit seiner Zeitungsserie "Spirit" führte Eisner ab 1940 immer neue visuelle Kniffe und Drehs im Storytelling ein, bis er Comics in der Praxis als "sequentielle Kunst" definiert hatte, ein Medium, dessen Bewegung erst im Kopf des Betrachters entsteht. In den Achtzigern untermauerte Eisner seine Theorien noch mit dem Sachbuch "Comics and Sequential Art" und schuf ganz nebenbei mit dem Album "A Contract With God" das Genre der "Graphic Novel", der entgültigen Vermischung von Bildern und Text zu einer eigenen Kunstform, wie sie im englischsprachigen Raum durch die Superhelden-Übermacht noch völlig unbekannt war. "Comics waren bis vor zwanzig Jahren ein Bereich, der sich nur sehr primitiv entwickelt hat. Jetzt hat Scott McCloud endlich etwas Intellekt dazugebracht. Das neue Standardwerk ist 'Understanding Comics' (dt. bei Carlsen) und nicht ' Wie man lustige Gesichter zeichnet'. Das Medium ist jetzt erst an der Schwelle zu enormen, neuen Wegen. Ich selbst habe dabei wohl den Weg erreicht, den das Medium so langsam nimmt. Ich glaube, daß Comics in unserer Gesellschaft immer wichtiger werden, weil wir immer mehr mit Symbolen kommunizieren und der Mensch sich auf dem Rückzug in eine neue Steinzeit befindet."

"Alle sitzen zu Hause, haben alles am Computer auf Tastendruck und fürchten sich vor dem Feuer oder dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt."
Will Eisner lacht und trinkt von seinem Tee. "Ja, und es ist ein Jammer, daß sich 'Asterix' nie in den USA durchsetzen konnte, aber du hast recht. Diese Welt ist voll mit Leuten, die Gurken mit oder ohne 'Bimples' verkaufen wollen und Worte nicht mehr verstehen. Ich bin Autor und ich schreibe mit Bildern. Meine Linienführung zwingt den Leser, sich intellektuell mit dem Inhalt auseinanderzusetzen. Durch den einfachen Bild-Code kann ich meine Message viel direkter loswerden. Ich habe noch ein Problem mit Farbe, die eigentlich die neue Sprache unserer Gesellschaft ist. Aber wenn man Farbe nicht vorsichtig kontrolliert, ist es wie mit einem Orchester, was einen einzelnen Sänger begleitet. Das funktioniert nur sehr schwer und ich suche nach Glaubwürdigkeit und einen Rhythmus. Ich brauche so einen Swing-Sound, he he. Außerdem arbeite ich für ein Publikum und nicht als Galerien-Künstler."

"Wann gibt es nach 'Heart Of The Storm' ein neues Album? Gibt es noch echte Herausforderungen für jemanden, der alles zuerst gemacht und auch schon seine Autobiographie abgeliefert hat?"
"Oh, 'Heart Of The Storm' war die billigste Therapie, die ich hatte und jetzt muß ich mir was ganz neues ausdenken. ich arbeite seit anderthalb Jahren an 'Dropsie Avenue', eine Story über Leben und Tod einer Nachbarschaft."

"Gibt es eine Lebensweisheit, die dich bei der Stange hält?“
"Oh, ja, traue keinem unter 30 und höre nie darauf, was dir die Verleger einreden wollen. Und trink' nicht soviel Kaffee."

Will Eisner im Netz:

http://www.willeisner.com

Das Interview erschien erstmals 1994 in der "limit" Nr. 13

Siehe auch die Rezension zu Eisners letztem Comic, "Das Komplott".

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