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PANEL Online, Ausgabe eins, März 2006 Kabuki - Bunte Comics, nicht nur in schwarz und weißEin Interview mit David Mackvon Andreas KeiserAuf dem Comicsalon in Erlangen 2000 hatte ich die Möglichkeit, mit David Mack, dem Autor und Zeichner von Kabuki ein Interview zu führen. Mir gegenüber saß ein außerordentlich freundlicher und höflicher Gesprächspartner, und das, obwohl er den ganzen Tag am Stand von Infinity mit Signieren beschäftigt gewesen war. • Deine Comicserie Kabuki weist einen starken asiatischen Einfluss auf. So ist die Heldin, der Ort der Handlung und viele Motive der Geschichte asiatisch geprägt. Woher kommt dein Wissen und dein Interesse an dieser doch sehr fremden Kultur? Als ich mit Kabuki anfing, ging ich noch aufs College. Dort habe ich die Geschichte "Circle of Blood" gezeichnet ( Sechs Hefte, hier bei uns bei Infinity ). Das trainierte meine Fähigkeit zu erzählen natürlich sehr. Auf dem College hatte ich Kontakt mit japanischen Studenten, und schnell bemerkte ich, das mich die japanische Sprache und Kultur stark interessierten. So habe ich durchgehend japanische Sprachkurse belegt. All das Erlernte und Erfahrene konnte ich nun in meine Kabuki-Geschichten aufnehmen. Meine Fortschritte im Erlernen der japanischen Kultur gingen also einher mit dem wachsenden Wissen Geschichten zu schreiben. Natürlich verband ich beides. Ausserdem erkannte ich, dass der Comic und die japanische Schrift etwas grundlegendes gemeinsam haben, nämlich Inhalt und Formgebung. • Das sind ja schon sehr weitreichende Gedanken für einen jungen Comiczeichner und College-Schüler, oder? Ja, stimmt. Ich habe halt schon immer gerne vor mich hin gegrübelt (lacht). Aber nein, es war halt eine sehr bewegte und aufregende Zeit damals am College. Bevor ich mich auf das Medium Comic konzentrierte, interessierte und versuchte ich mich in der Bildhauerei, dem Film, der Literatur, der Philosophie, der Geschichte und natürlich der Malerei. Gerade mit Acryl und Tusche habe ich viel experimentiert. Auch die ersten Collagen entstanden. • Aber es war letztendlich der Comic, der sich für dich als Plattform für deine Ideen anbot ?! Ja, weil ich bei ihm so vieles von den anderen Künsten integrieren und fokussieren kann. Und beim Comic kannst du auf ganz einfache Art und Weise mit dem Phänomen Zeit umzugehen. Rückblenden, Erinnerungen und so lassen sich ja ganz einfach bildlich darsellen. Das hat mich fasziniert. • War "Circle of Blood" eigentlich deine erste Kabuki-Geschichte? Nein, meine erste richtige Erzählung mit Kabuki war "Fear the Reaper" aus dem Jahr 1994 ( Ebenfalls bei uns bei Infinity ). Im Prinzip kann man dieses erste Heft als Prolog zu "Circle of Blood" sehen. • War das Kabukis Debut? Nun, sie wurde mit diesem Abenteuer zum ersten mal veröffentlicht ( In den USA bei Caliber Press ). Aber es gab sie schon länger, denn erfunden habe ich Kabuki, als ich 17 Jahre alt war. Sie hatte eine Nebenrolle in einer Spionage-Geschichte, die ich damals zum Üben geschrieben und gezeichnet hatte. Erst etwa drei Jahre später machte ich mich daran, den Charakter weiter auszufeilen. Das Logo, ihr Outfit, also die Maske, das Kostüm, die Tatowierungen und andere Details…und natürlich den Hintergrund, den eine interessante Figur braucht. Zumindest die ersten Facetten entstanden damals... • Deine Arbeiten erfreuen sich ja einer grossen Beliebtheit, auch in Deutschland. Warst du von dem Erfolg überrascht? Ja, sehr. Ich meine, Kabuki war ja nicht als Publikumsrenner gedacht. Der Comic ist ja einfach so in mir gewachsen, also eigentlich nur für mich gedacht gewesen. So lassen sich viele persönliche Dinge von mir in den Geschichten finden. Und so fand ich es angenehm, die intimen Themen in eine gewissen Distanz zu setzen, sodass die Leute nicht so einfach erkennen konnten, das die Geschichte hier Teile von mir wieder spiegelt. Also setzte ich alles in der Story ins Gegesätzliche um. So wurde der Protagonisten weiblich, der kulture Background ein asiatischer, also genau vom entgegen gesetzten Punkt der Welt. Übrigens noch eine Antwort für deine erste Frage (lacht). Naja, ich fühlte mich so ein wenig sicherer, denn ich schrieb ja sehr viel wahres über mich und gab somit vieles preis. Kennst du den Spiegel aus Alice im Wunderland, in dem sich alles ins Gegenteil verkehrt. Dennoch kann man die Wahrheit erkennen, wenn man es will. Es ist wie in der übrigen Kunst auch. Du kannst dort die Wahrheit finden... • Du bist mit deiner asiatischen Freundin Anh Tran hier auf den Salon gekommen. Inwiefern hat sie Einfluss auf deine Geschichten? Nun, sie ist eine der ersten Personen, die von meinen neuen Ideen und Konzepten hört und natürlich dient sie mir als Inspirationsquelle. Oft steht sie mir Modell, wenn ich mal wieder bei Kabuki nicht alleine weiterkomme (lacht). • Wie bist du eigentlich zu Infinity gekommen? Nun, ich hatte schon einige Anfragen aus Deutschland bekommen, meine Sachen zu veröffentlichen. Aber ich wollte jemanden aus Herausgeber haben, der ähnlich besessen von seiner Arbeit ist, wie ich. Zum Glück lernte ich Marius Keßler von Infinity kennen. Jetzt, da schon einige deutsche Kabuki Hefte erschienen sind, weiss ich, dass ich die richtige Wahl getroffen habe. Sie sind sehr aufwendig und sehr liebevoll gestaltet. Der Druck und das Papier, die Typographie, das Kabuki-Portfolio und das alles. • Graphisch weisen einige deiner Arbeiten große Ähnlichkeiten mit Sachen von Dave McKean auf. Ist er ein direktes Vorbild für dich und steht ihr vielleicht sogar in Kontakt? Nein, tun wir nicht. Und ein Vorbild ist er auch nicht unbedingt für mich gewesen, obwohl ich seine Arbeiten natürlich sehr schätze, aber ich bin auch sehr von Bill Sienkiewicz beeindruckt. Und der Grund für diese gewisse Verwandtschaft kommt wohl daher, das Comics in Amerika, speziell die Superheldencomics, in einer ganz bestimmten Art produziert werden. Die anderen folgen da einer bestimmten Hauptrichtung, und letztendlich kopiert der eine das, was der andere vor ihm gemacht hat. Es gibt wenige, die Dinge mit in ihre Comics einbeziehen, die von ausserhalb kommen, also ausserhalb der Comicwelt stehen. Das macht Dave McKean! Und da gibt es zwischen Dave und mir natürlich eine, wenn nicht die grosse Gemeinsamkeit. • Wie stark benutzt du eigentlich den Computer für deine Arbeiten? Gar nicht so oft, wie alle denken. Also, ich benutze den Computer schon mal für meine Arbeiten, speziell wenn es um Text und Schriften geht, aber sehr verhalten. Ich mag es lieber, meine Collagen mit der Hand zu erstellen. Das geht letztendlich viel schneller und ist auch autentischer. Und natürlich sinnlicher (lacht). • Du bist ja sowohl Autor als auch Zeichner einer ganzen Serie. Schon mal daran gedacht, sich die Arbeit mit jemanden zu teilen? Nein. • Hast du noch andere Projekte nebenbei laufen? Ja, ich arbeite gerade für Marvel an einer Daredevil-Geschichte als Autor. Die ersten zwei Hefte sind auch schon in Amerika erschienen. Ansonsten läuft zur Zeit nichts wirklich konkretes. Ich habe halt gerade sehr viel Lust mich mit dem Medium Comic voll und ganz zu beschäftigen. Alles andere, so glaube ich, würde mich letztendlich nur ablenken. • Wie ist es sich mit einem kommerziellen Charakter wie Daredevil beschäftigen zu müssen? Die Arbeit mit einem anderen Charakter macht mir sehr viel Spass. Und mit Daredevil kann man auch viel mehr machen und mehr herum experimentieren, als mit so etablierten Helden wie mit Superman oder Spiderman. Und Marvel lässt mir viele Freiheiten… • Zukück zu Kabuki. Erscheint die Serie eigentlich in Japan oder in einem anderen asiatischen Land? Nun, die amerikanischen Ausgaben sind dort natürlich zu bekommen. Ich bekomme auch regelmässig Mails aus Japan und so, von Leuten, die meine Geschichten mögen. Aber eine übersetzte Serie gibt es noch nicht. Wir arbeiten dran. Weisst du, ich würde mich schon sehr freuen, meine Serie mit asiatischer Schrift in den Textkästen zu sehen. Da würde sich einfach ein grosser Kreis schliessen. Aber dafür gibt es in Frankreich, Spanien und Italien übersetzte Kabuki-Serien. Und hier in Deutschland. wie du weisst (lacht). • Wie stehst du eigentlich zu den japanischen Mangas und Animes? Vor zehn Jahren habe ich mich sehr für diese damals noch sehr neue Art, Geschichten zu erzählen, interessiert. Ich habe da sehr viele Mangas gelesen. Aber ich musste erkennen, das es viel zu wenig gutes Material gibt. Letztendlich wiederholt sich bei den meisten Stories alles immer wieder und wieder, und vieles ist so wahnsinnig vorausehbar. • Kennst du den Film Crying Freeman? Hier wurde ja ein Comic, um genau zu sein, ein Manga, mit richtigen Schauspielern verfilmt. Ja, klar. Ich mag den Film wirklich sehr. Er hat diese gelungene Mischung aus Gefühl und Seelenstudie und aus gelungener Aktion und Gewalt. • Der Film ist der Kabuki-Thematik ja auch gar nicht so fern... Ja, das stimmt ... • Könntest du dir eine ähnliche Verfilmung von Kabuki vorstellen? Ja, auf jeden Fall. Wir bewegen uns sogar in diese Richtung. Es gibt da schon einige lose Kontakte zu einigen Filmstudios. Es wäre ja auch nicht das erste mal, dass eine Comicserie verfilmt wird. Aber es gibt auch Ambitionen, das ganze als einen Animationsfilm zu produzieren. Es gibt da ebenfalls einen losen Kontakt mit Fox in den USA. Wir sind zumindest soweit, dass wir uns in einer Konzeptbildung befinden. Aber es ist nicht leicht, da ich die Vielschichtigkeit des Comics in seiner Erscheinung auch im Film wiederfinden möchte. Also solche Übergänge von schwarz/weiss zu farbigen Wasserfarben, Akryl und College, die ich in meinen Erzählungen benutze. Interessant ist aber die Zusammenarbeit mit vielen anderen an einem Projekt. Zu erfahren, wie andere Menschen das alles sehen. Mal gucken, was da noch so alles passiert… • Keine Angst, dass dich Hollywood über den Tisch ziehen könnte? (lacht) Doch, natürlich. Ich verhalte mich da auch überaus vorsichtig. Ich werde niemals die Kontrolle über Kabuki aus der Hand geben. So wie der Giger da über den Tisch gezogen wurde, soll es mir nicht ergehen. • Wie sind eigentlich deine Eindrücke vom Comic-Salon Erlangen? Ich war ja schon ein paarmal in Deutschland, zum Beispiel auf der Comic-Action in Essen. Dort wurde ja auch mein erstes Heft in deutscher Übersetzung vorgestellt. Mir hat es schon dort sehr gefallen. Aber auch hier in Erlangen fühle ich mich sehr wohl. Ich hatte hier nur positive Kontakte. Die Menschen sind alle sehr interessiert und sehr höflich. Ich bin sehr, sehr angetan über die Ausstellung, die hier von mir gezeigt wird. Die Leute haben sich wirklich sehr viel Mühe gemacht. • Du warst doch sicher überrascht, gestern abend auf der Max und Moritz-Preisverleihung für den "Besten ausländischen Comickünstler" nominiert zu werden? Oh ja, sehr. Ich fühle mich sehr geehrt und freue mich, das meine Arbeit auch von offizieller Seite so positiv aufgenommen wird. Auch wenn es nur bei der Nominierung blieb (lacht)… • Aber im Vergleich mit den amerikanischen Conventions ist das hier doch alles ein bisschen kleiner, oder? Ja, natürlich, aber es ist eine willkommene Abwechslung. Ich war auf so vielen Veranstaltungen in den Staaten und habe dort nur signiert. Aber hier hatte ich auch mal die Zeit, mir die Messe und sogar die Stadt anzuschauen. Überhaupt die Kultur, die hier herscht, ein bisschen aufzusaugen. Mal wirklich alte Häuser zu sehen und das Flair aufzunehemen. Ausserdem konnte ich hier mit vielen anderen Künstlern sprechen. Ich habe mir einige Strapazin-Ausgaben gekauft und habe so auch einige deutsche Comiczeichner kennengelernt. Zum Beispiel Guido Sieber und viele andere, deren Namen ich jetzt nicht mehr weiss. Es gibt hier wirklich sehr viel künstlerische Richtungen, ich mag das sehr. Ausserdem ist das Bier hier in Deutschland sehr gut (lacht). Mack im Netz: www.davidmack.net Original erschienen in PANEL Nr. 21 Illustrationen auf dieser Seite: © David Mack | |
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