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Völlig krank, und das ist gut so

Marc Hempel: "Ich Gregory"

Gregory ist glücklich. So glücklich jedenfalls, wie jemand sein kann, der, mit einer Zwangsjacke bekleidet, in einer kargen Zelle sitzt und sich nur in Urlauten verständigen kann. Gregory ist so ziemlich das Sinnbild des Comic-Irren. Damit hat er schon mal den Anarcho-Bonus des p.c.-Verweigerers. Aber das alleine, so witzig es ist, trägt auf Dauer keinen Comic. Marc Hempel (Sandman: Die Gütigen, Tug & Buster) geht deshalb gleich ein paar Schritte weiter. Durch wechselnde Erzählperspektiven und tragende Nebenfiguren wie die ständig wiedergeborene Ratte Herman, die gestresste Therapeutin oder auch mal zwei comiclesende Off-Kommentatoren vermeidet er geschickt, dass Gregory auf seiner eigenen Einsilbigkeit sitzenbleibt.

Was den Reiz des Comics ausmacht, ist bei aller Vielfalt der Erzählmittel aber Gregorys simples Innenleben. Gregorys Unvereinbarkeit mit der ständig präsenten Außenwelt, mit ihren Therapieangeboten und Hygieneanforderungen, ist die ultimative Rabaukenphantasie. Mit seinen reduzierten Ausdrucksmitteln ist Gregory dabei so anrührend, dass wir ihn vom ersten "Uh!" an ins Herz schließen und uns mit ihm gegen diese Außenwelt verbünden, die das eigentlich Verrückte hier ist. Gregory ist der vollendete Individualist, ein Bollwerk gegen den Konformitätsdruck à la "Kuckucksnest". Oder, in seinen eigenen Worten: "IK GREGORY! IK GREGORY!" (Wiederholen, bis die Puste ausgeht.)

Gregory war zwischen 1989 und 1993 einer der erfolgreicheren Titel von DCs Alternativ-Imprint Piranha. Trotzdem dauerte es eine ganze Weile, bis die internationale Szene auf den Comic aufmerksam wurde. Erst 1997 brachte der Comic Press Verlag den ersten Band im Amiformat und in billiger, irgendwie trashiger Aufmachung heraus, die gut zu Hempels Underground-Erzählstil passte. (Siehe auch StErns Besprechung in PANEL Nr 18.) Fast auf den Monat genau 10 Jahre später erscheint jetzt bei Cross Cult der erste Teil einer zweibändigen Gesamtausgabe, analog zu DCs "Treasury"-Ausgabe von 2004. Der zweite Teil ist für November angekündigt.

Band 1 umfasst die ersten beiden Teile der Erstausgabe. Der erste Teil kreist vorrangig um Gregory und seine Zelle. Der zweite Teil, unter dem Titel "Herman Vermins ureigenes, überaus populäres & von der Kritik gefeiertes Buch mit Gregory darin", verschiebt den Akzent auf Gregorys Freund Herman. Gregory selbst kommt auf diesen letzten 60 Seiten kaum noch vor, was den Band insgesamt etwas unausgewogen wirken lässt. Aber er ist ja auch gar nicht als Einzelstück gedacht. Wir dürfen gespannt sein, wie sich das alles ausbalanciert, wenn der zweite Teil dazukommt.

Die Cross-Cult-typische Aufmachung (Hardcover, A5, guter Druck auf gutem Papier) tut dem Comic gut. Zwar fehlt ein wenig der hingerotzte Charme der alten Ausgabe, doch die Vorteile überwiegen. So wirken die Zeichnungen kontrastreicher und insgesamt heller, fast freundlich. Das ist zwar nicht anarchisch, hebt aber Hempels Stärken bei Layout und Bildaufbau hervor und bringt viele Details erst richtig zur Geltung.

Als Bonusmaterial gibt es ein Interview mit Hempel, das die herausragenden Titel seines vielschichtigen Werks abdeckt. Wir erfahren auch Vielversprechendes für Band 2 - so hat Cross Cult vor, einen Teil in Farbe zu produzieren, wie das ursprünglich von Hempel geplant war, aber nie verwirklicht wurde. Cross Cult scheint übrigens eh vorzuhaben, den hierzulande trotz (oder wegen?) seiner Bandbreite weitgehend unbekannten Künstler zu fördern - auch sein "Breathtaker" ist geplant.

Jäh


Marc Hempel

Gregory 1: Ich Gregory!

Cross Cult Ca. 192 Seiten, Hardcover, sw, A5, 19,80 EUR
ISBN 10: 3-936480-18-4

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