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Kindheitserinnerungen statt GeschichtsunterrichtKarlien de Villiers: Meine Mutter war eine schöne FrauSüdafrika in den Achtzigern - aus europäischer Sicht denken wir dabei sofort an die Ungerechtigkeiten des Apartheid-Regimes, an Nelson Mandela im Gefängnis, Benefizkonzerte und die Bösewichter aus Lethal Weapon 3. Aber eigentlich wussten wir nicht viel von dem Land und den Menschen, die unter diesem Regime lebten. Karlien de Villiers ist in diesem Südafrika aufgewachsen. Ihr autobiographisches Europa-Debut „Meine Mutter war eine schöne Frau“ behandelt die Zeit aus der Perspektive der kleinen Karla, die im Hauptteil der Geschichte zwischen sechs und zwölf Jahre alt ist. Politik spielt in dem Alter eine Nebenrolle, als etwas großes, Fremdes, das nur manchmal ins eigene Leben hineinschwappt: unverständliche Aussagen von Erwachsenen, Indoktrination in der Schule, Fernsehbilder, die sich ins Gedächtnis einprägen, ohne dass der Zusammenhang gleich deutlich wird. Wichtiger für Karla ist der Konflikt zwischen ihren Eltern, die immer weiter auseinanderdriften, das Eingewöhnen in neue Nachbarschaften und der frühe Tod der Mutter. Von all diesen Dingen erzählt der Comic in Momentaufnahmen, als Aneinanderreihung von Einzelerinnerungen. In solchen Augenblicken liegt gerade die Stärke des Comics, wenn sich die Erzählstränge in einzelnen, ausdrucksstarken Bildern verdichten. Manchmal wirkt dieser Erzählstil dadurch allerdings eher kursorisch, als werde ein Video zur nächsten guten Szene vorgespult. Das macht es schwieriger, sich mit den Charakteren einzurichten, unterstützt aber den subjektiven Charakter, denn so sind Erinnerungen nun mal. De Villiers' stark vereinfachte Bilder, die teils fast an Kinderzeichnungen denken lassen, stützen durch ihren „Low-Fi“-Charakter diese Perspektive. Von Anfang an wird so deutlich, dass nicht „die“ Geschichte jener Zeit erzählt wird, sondern Karlas ganz persönliche Geschichte. Einen zusätzlichen Reiz erhält die Grafik durch den Kontrast zur sehr sauberen Koloration. Es überwiegen Brauntöne, was ebenfalls Distanz schafft, ein bisschen wie die vergilbten Fotos von einst. Mit diesen Stilmitteln gelingt es der Autorin, ein spürbares Bild von Karlas Welt zu zeichnen und uns vom Leben im Südafrika der Achtziger zu erzählen, ohne dass ein programmatischer "Südafrika-Comic" daraus wird. Max Jähling Karlien de Villiers Meine Mutter war eine schöne Frau 4c , 96 Seiten, SC Bilder: Karlien de Villiers via Arrache Coeur Diese Rezension erschien zuerst in PANEL 26. Letzte Bearbeitung: 9. 7. 2006 |
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