Edition PANEL |
Nicht tot zu kriegen"The Walking Dead" von Robert Kirkman, Tony Moore und Charlie AdlardZombies sind anscheinend die neuen Vampire. Bis vor einigen Jahren waren die Blutsauger die Horrorstars schlechthin, von Anne Rice über Buffy bis zum Kultcomic „30 Days of Night“. Inzwischen hat der Reiz der Vampire vorerst nachgelassen. Dafür können wir seit dem Erfolg von „28 Days Later“ und „Shaun Of The Dead“ von einer neuen Zombie-Welle sprechen, die sich auch in der Comic-Szene niederschlägt, etwa in Ross Richies „Zombie Tales“ oder in Robert Kirkmans (Battle Pope, Marvel Knights 2099) Comic-Hit „The Walking Dead“, der jetzt in gewohnt guter Aufmachung (solides Buchformat, Interviews mit Autor und Zeichner als „Bonus Tracks“) bei Cross Cult erscheint.
Die Zeichnungen von Tony Moore (Battle Pope, Fear Agent) im ersten Band lassen so ziemlich keinen Wunsch offen. Die ausdrucksstarken Gesichter im Independent-Stil und die im Horrorbereich eher ungewöhnlichen, fast freundlichen Grauschattierungen (z.T. von Cliff Rathburn) bieten einen reizvollen Kontrast zu den fliegenverseuchten, gedärmefressenden Untoten und den expliziten Gewaltszenen. Das betont den Anspruch des Comics, nicht von Zombies zu erzählen, sondern von Menschen in einer Welt von Zombies. Charlie Adlard (Akte X, Astronauts in Trouble), der die Zeichnungen ab dem zweiten Band "Ein langer Weg" übernimmt, bringt einen härteren Strich ein, geprägt von den scharfen Schatten, die seinen Strich seit einiger Zeit beherrschen. Dass die Geschichte an diesem Kontrast nicht auseinanderbricht, liegt zum einen daran, dass Adlard ein hervorragender Erzähler gerade für ruhige Sequenzen ist und den Figuren viel Raum gibt. Zum anderen daran, dass die Grauschattierungen weiterhin von Cliff Rathburn stammen, der zwar erst gegen Ende von Tony Moores Einsatz dazukam, aber stilistisch kaum von dessen Ausgaben abweicht. Der Comic ist geprägt von glaubwürdigen Charakteren, guten Dialogen und einer subtilen Gefahrenstimmung, die nie in platten Klischee-Horror abgleitet. Natürlich werden viele der Konflikte in diesem ersten Band (der die ersten sechs Hefte umfasst) nur angedeutet. Auch wirkt die Konfrontation, die den ersten Band abschließt, ein Bisschen abrupt, als habe Kirkman versucht, plötzlich einen guten Schluss für die erste Sammlung zu finden (auch wenn er im Interview sagt, so was tue er nicht). Der zweite Band endet ebenfalls abrupt, dieses Ende erscheint aber (auch weil es der zweite ist) offener und damit weniger übers Knie gebrochen. Der Gesamteindruck jedoch ist durchweg positiv. „The Walking Dead“ erfindet das Genre nicht neu, frischt es aber angenehm auf. Das Interessante an diesem Genre, so Kirkman einleitend, ist nicht der Schock- oder Ekeleffekt: „Was uns gute Zombiefilme wirklich zeigen, ist, wie kaputt wir doch eigentlich sind. Sie bringen uns dazu, unseren Platz in der Gesellschaft zu hinterfragen, ebenso wie die Gesellschaft selbst.“ Es gehört einiger Mut dazu, solche Ansprüche in der Einleitung des eigenen Buchs zu formulieren, denn daran muss sich „The Walking Dead“ nun messen lassen. An Selbstvertrauen mangelt es Kirkman jedenfalls nicht. Und das ist durchaus gerechtfertigt. Max Jähling
The Walking Dead
Bd. 1: "Gute alte Zeit”
Bd. 2: "Ein langer Weg” Illustrationen: Tony Moore (Cover, Ausschnitte 1-2) / Charlie Adlard (3-4) via Cross Cult Die Besprechung zu Band 1 erschien zuerst in PANEL 26. Erweitert und aktualisiert: 9. 7. 2006 |
|