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Will Eisner

Das Komplott - Die wahre Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion

Im Januar 2005 verstarb mit Will Eisner einer der einflußreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Sein Lebenswerk ist beeindruckend. Im Alleingang hatte er den Comic-Strip mit "The Spirit" zur Kunstform erhoben und die "Graphic Novel", den Roman in Comicform, erfunden. Dem Ausreizen der graphischen Dimensionen folgte das Ausloten der inhaltlichen Möglichkeiten. Der Comic ist unter Will Eisner gereift und erwachsen geworden. Von "A Contract with God" bis zum autobiographischen "To the Heart of the Storm" hechelte der Rest der Comicwelt dem Meister hinterher. Andere quatschten nur von Comics, die auch ein erwachsenes Publikum ansprachen, Will Eisner produzierte sie.

Mit "Das Komplott" liegt nun seine letzte Arbeit vor, die eine Sonderstellung im Schaffen Eisners darstellt. Eisner vermischt "New Journalism", historische Recherche und graphische Erzählung. Statt sich auf einzelne Figuren zu konzentrieren, verfolgt der Künstler die Entstehung und Verbreitung der antisemitischen "Protokolle der Weisen von Zion", die sich unter Nazis auch heute noch großer Beliebtheit erfreuen. Eisner zeichnet die Geschichte von 1848 bis in die Welt des Internets akribisch nach und zitiert ausführlich aus den "Protokollen", einer der bekanntesten Fälschungen aller Zeiten. Unter Zar Alexander III als Propagandawerk entstanden, fand das Buch Anfang des 20. Jahrhunderts seinen Weg in den Westen. Vor allem Henry Ford, dessen Buch "The International Jew" großen Einfluß auf die Entstehung von "Mein Kampf" hatte, sorgte für die Weiterverbreitung. Hitler, der ein Foto von Ford in seinem Büro hatte, zitierte regelmäßig aus den "Protokollen", aber auch nach 1945 diente die Fälschung Antisemiten wie Muammar el-Gaddafi oder Idi Amin zu Propagandazwecken.

1921 wurden die "Protokolle der Weisen von Zion" von der Londoner "Times" erstmals als Fälschung entlarvt. Unter den Anhängern antisemitischer Paranoia galt dies von Anfang an als sicherer Beweis für den weltweiten Einfluß einer jüdischen Verschwörung, die Finanzen, Medien und Politik im sicheren Griff hatte. Mit rationalen Argumenten war dem Irrsinn neuer und alter Nazis nicht zu begegnen, und an diesem Punkt scheitert der herzensgute Will Eisner, der diesem Thema mit jüdischer Vernunft begegnen will.
Wenn Eisner Diktatoren zeichnet, wirken sie aus seiner Feder trotz aller Schandtaten immer noch ein wenig menschlich. War sein Stil und der streng humanistisch geprägte Humor ideal für die Geschichten der Verlierer, der Verlorenen und der Opfer, so zerreibt sich der Altmeister an der Auseinandersetzung mit den Tätern und ihren Motiven. So endet "Das Komplott" mit einer fassungslosen Betrachtung von internationalen Nachdrucken der "Protokolle" bis in das Jahr 2003. Die Verzweiflung des Künstlers, nicht klären zu können, warum Menschen so einen Mist glauben wollen, ist zwischen den Sprechblasen klar zu erkennen.

Im Gegensatz zum zornigen Comicjournalisten Joe Sacco ("Palästina", Zweitausendeins) bleibt der "Spirit"-Vater aber ein freundlicher, älterer Herr. Wo Sacco an die Front geht, stöbert Eisner streng akademischen in Archiven und bespricht sich mit befreundeten Buchhändlern.

Passenderweise stellte der Filmemacher Marc Levin jüngst seinen Dokumentarfilm "Protocols of Zion" vor, der ähnlich aufgebaut ist wie "Das Komplott". Mit einem Soundtrack des New Yorker Jazz-Sorgenkindes John Zorn und dem Rapper Matisyahu als Unterstützung findet er einen anderen Zugang. Bei Levin gibt es gewaltig was hinter die Ohren. Sein Standpunkt und die Ausführung ist radikaler. "Das Komplott" ist zweifelsfrei ein großes Stück Comickunst, aber als langjähriger Fan hätte man sich vermutlich eher ein sentimentales Sequel zu "Dropsie Avenue" erhofft.

Er wird uns wirklich fehlen, der alte Mann. Im Juni 1992 traf ich ihn für ein Interview, und es war eine amüsante halbe Stunde. Niemand hat mehr für den Comic als Kunstform gekämpft als er. Der Tod von Will Eisner im Januar 2005 markiert das Ende vom Aufbruch der Comics. Das Medium ist längst erwachsen, wenn es sich auch weiterhin ziemlich kindisch aufführt. Aber daran hat Will Eisner von allen Beteiligten am wenigsten Schuld.

StErn


Will Eisner

Das Komplott - Die wahre Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion

DVA, 152 Seiten, Hardcover, EUR 19,90

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