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PANEL Online, Ausgabe zwei, November 2006

Fünf Jahre LOA und INKplosion

Interview mit Daniel Gramsch (Comicwerk)

Das Comicwerk ist, neben der Webadresse der LOA, das Label, unter dem LOA-Gründer Daniel Gramsch und Guido Neukamm ihre Comics zu Papier bringen. Auf der Webseite finden sich neben den Comics auch begleitende Kolumnen - so können wir mit Diebin Alina Fox tatsächlichen Kunstdiebstählen nachspüren, während die Kolumne "Metall macht Musik" die Serie "Der Drei" begleitet. Dazu gibt es in der "Voodo Lounge" Fotostrecken und Specials, jährlich einen Adventskalender und vieles mehr. 2004 tat sich das Comicwerk mit dem Projekt TheNexArt zusammen, vor allem um die Angebote zu bündeln. Im Netz wurde LOA Anfang des Jahres beim Netzverzeichnis Perlentaucher hervorgehoben, was sicher dazu beigetragen hat, im Sommer die "magische Grenze" von 2000 Hits pro Woche zu überschreiten.

Daniel Gramsch, der die Webseite betreibt und gestaltet, ist Autor und Zeichner der Serien "Alina Fox - Thief Extraordinaire" und "Slackers Unlimited" in LOA. Er arbeitet(e) für "Gespenstergeschichten" und "Mad" und studiert in Berlin Filmwissenschaft, Englisch und Publizistik. Dieses Gespräch fand Anfang September spät an einem Freitagabend statt und dauerte bis spät in die Nacht. Leider hat der doofe Jähling nur eine Stunde davon, das "offizielle" Interview, mitgeschnitten.


PANEL: Als Ihr angefangen habt, wart Ihr ja alle schon ein bisschen etablierter...

Gramsch: Für damalige Verhältnisse schon, ja.

PANEL: Da kommt man ja nicht einfach drauf, ein Online-Magazin zu machen.

Gramsch: Die Idee kam ja nicht von mir. Ich war auch noch relativ neu dabei, hatte gerade meinen ersten Auftrag. Die anderen waren schon ein bisschen etablierter, stellten aber fest, dass die Möglichkeiten doch relativ beschränkt sind, dass man seine eigenen Sachen bei Verlagen unterkriegt. Und da war die Idee, man könnte so was ähnliches wie ein Anthologie-Magazin machen, wie Zack oder so was. Nur ist das natürlich im Druck recht teuer. Und damals war ja grad' die New Economy voll im Kommen, sollte sie nicht lange bleiben, aber dann hieß es, ja mensch, das Internet ist doch eine relativ preisgünstige Möglichkeit, und da kann man halt schon mal die Sachen reinstellen und gucken, gibt's denn dafür Leser, beziehungsweise sehen das vielleicht auch Verlage? Dass die halt sagen, hey cool, das gefällt mir, und da die Sachen ja schon praktischdruckfertig vorlagen, hätten wir dann sagen können, tolles Ding, hier habt Ihr's.

PANEL: Ich habe mich immer gewundert, warum zunächst alle in der LOA an diesem aufrechten Seitenformat festgehalten haben, obwohl das im Netz ja nicht das praktischste Format ist. Liegt das an der Druckausrichtung?

Gramsch: Klar, wenn man sich mal mit Scott McCloud auseinandersetzt, Reinventing Comics, hätte man auch durchaus mal was Neues machen können, und eben tatsächlich mit dem Format Internet rumspielen. Aber wir hatten nie wirklich das Bedürfnis, das Internet als Internet zu nutzen, sondern wirklich als Plattform, um zu zeigen, was ist denn vorhanden, um letztendlich mit den Sachen in Druck zu gehen. Und das ging auch, bei unseren, wenn man's mal so formulieren möchte, Flaggschiffgeschichten, also "Biien" und "Alina", "Der Drei" und jetzt auch "Conny van Ehlsing", und auch bei den ganzen Gastzeichnern, die wir hatten, Katrin Baumgärtner zum Beispiel mit "Mundkopf", die den ersten Teil der Geschichte ja bei uns auf der Seite präsentierte, und der zweite Teil kommt jetzt gedruckt raus, bei Zwerchfell. Und wir werden hinten sogar erwähnt, das fand ich ziemlich cool.

PANEL: Das erübrigt dann fast meine nächste Frage, nämlich ob das überhaupt von Verlagen so wahrgenommen wird.

Gramsch: Äh, nein. Nein, ganz klares Nein. Ich denke, das Problem liegt vor allem darin... ich persönlich habe nie ein Feedback dazu gekriegt, ich weiß nicht, ob das jemand sieht, von Verlagen. Ich stelle mir das so vor, dass die Verlage, die es vielleicht gesehen haben, denken, mensch, die haben ja eine Internet-Plattform, da brauchen sie ja nichts Gedrucktes mehr. Im Prinzip eigentlich die gleiche Nummer wie, als wir dann angefangen haben, unsere Sachen zu drucken, also Alina und Biien, dass es eben hieß: Ja mensch, die haben's ja gedruckt. Die brauchen ja keinen anderen mehr, der es für sie macht.

PANEL: Es heißt ja, dass Verlage ungern etwas übernehmen, das schon mal irgendwo erschienen ist.

Gramsch: Was ja de facto auch nicht ganz richtig ist, denn an sich drucken ja Verlage, was irgendwo anders schon mal Erfolg hatte.

PANEL: Im PANEL werden auch lieber Sachen genommen, die noch nicht irgendwo anders erschienen sind...

Gramsch: Das ist bei uns völlig egal. Wenn jemand der Meinung ist, seine Geschichte noch mal bei uns bringen zu müssen, habe ich damit keine Probleme.

PANEL: Das ist gut. Ich schicke meine Geschichten eigentlich immer überall hin und freue mich jedesmal, wenn sie erscheinen.

Gramsch: Ich denke mal, das geht vielen Leuten so. Zum Beispiel Ghepetto bringt seine Sachen auch bei Blotch, und hat zu Erlangen noch ein eigenes kleines Heftlein selbst gedruckt, und die eine Story daraus läuft gerade in Fortsetzungen auf Comicwerk bei LOA. Finde ich völlig in Ordnung, das ist absolut legitim. Oder damals die Alan-Moore-Story, die wir hatten, die ist in Deutschland zwar noch nicht erscheinen, aber in Amerika sehr wohl.

PANEL: Wie ist das überhaupt zustande gekommen, habt Ihr Bryan Talbot in Erlangen angesprochen?

Gramsch: Das ist vermittelt worden über Josef Rother. Ich glaube, der hat tatsächlich mit Bryan zusammen gearbeitet in irgendeiner Form, oder kannte ihn wenigstens, und hat ihn dann gefragt, ob wir nicht ein paar Sachen bringen dürften, er würde sie übersetzen, und damit es sich dann noch ein bisschen mehr unterscheidet von der ursprünglichen Form, sollte ich sie dann halt kolorieren, Bryan hatte wohl damals gesagt, von ihm aus gerne, er fragt noch mal Alan Moore, Alan Moore hatte da auch nichts gegen, und dann ist das halt dementsprechend gelaufen.

PANEL: Kann ja auch nicht jeder von sich sagen, dass er eine Alan-Moore-Geschichte veröffentlicht hat.

Gramsch: Ja, ich war auch immer sehr stolz, dass ich das kolorieren durfte.

PANEL: Jetzt bin ich ein wenig vom Faden abgekommen, eigentlich sollte es gar nicht um Alan Moore gehen.

Gramsch: Aber das gehört auch irgendwie dazu, es ist zwar schon eine Weile her, aber das ist doch durchaus eine Sache, die mir immer ganz wichtig war, dass wir eben ab und an mal ein paar Highlights gesetzt haben, wie zum Beispiel auch mit den Adventskalendern, wenn wir dann eben Donna Barr drin hatten oder Leute, die in Deutschland einen gewissen Namen haben, wie Dirk Schulz und Robert Labs. Wir hatten auf der alten Homepage einen kleinen Abschnitt, wo wir geschrieben haben, was wir eigentlich wollten. Da hatten wir gesagt, dass wir sowohl für alte Hasen als auch für junge Talente was machen wollen. Wir sind nicht nur einfach die Talentschule oder so was. Das ist sicher auch einer der Punkte, aber wir wollen halt auch Leute drin haben, die in Deutschland noch nicht so bekannt sind, obwohl sie anderswo eben schon was reißen. Wie zum Beispiel eben Donna Barr. Oder Diana Sassé, im Prinzip genauso. Man möchte ja meinen, dass sie sich in Deutschland sehr wohl etabliert hat, weil sie ja auch die ganzen Preise bekommen hat für ihre Sachen, aber das scheint ja wohl nicht ganz so zu sein. Deswegen finde ich es auch schön, ihr dann auch noch mal die Möglichkeit zu geben, sich zu präsentieren.

PANEL: Das ist ja auch ziemlich auffällig bei LOA. Ihr habt eine ziemliche Bandbreite mit Independent-Sachen hier, Manga da und bekannteren Namen dazwischen... Vor allem in den letzten Ausgaben sehr viel in Richtung Manga. Die erscheinen ja gerade im Fanzine-Bereich im Deutschen wenig.

Gramsch: Ich habe was gegen das Wort Fanzine. Da reagiere ich normalerweise ziemlich unwirsch drauf. Das was wir machen, ist professionelle Arbeit. Wenn ich meine eigene Spidermangeschichte zeichne, dann ist es Fan Art. Und wenn ich das durch den Kopierer ziehe und zusammentackere, dann ist es ein Fanzine. Aber was wir machen, ist nicht Fanzine. Das ist professionelle Comic-Arbeit, und da muss man sich auch gar nicht hinter verstecken. Wir haben unsere eigenen Geschichten, wir haben unsere eigenen Charaktere. Fan Art fällt damit schon mal raus, weil - Fan von was?

PANEL: Wie ist für euch der Bezug zwischen der Heftproduktion und der LOA? Sind das einfach zwei völlig unterschiedliche Sachen, die Ihr einfach beide macht, oder wie sieht das aus?

Gramsch: Mittlerweile ja. Dadurch, dass die Hefte nur einmal im Jahr rauskommen, ist die Arbeit an LOA häufiger. Und es fällt auch auf, dadurch dass wir einmal im Jahr ein Heft auf den Weg bringen müssen, dass Guido und ich in LOA erstaunlich selten vorhanden sind. Was ja am Anfang auch anders war. Ansonsten läuft's schon relativ getrennt.

PANEL: Ihr produziert die Sachen ja jeweils selber und bringt sie dann unter dem Comicwerk-Logo raus. Könnte das im Prinzip jeder machen?

Gramsch: In Absprache mit uns, auf jeden Fall. So sind wir auf "Blue Evolution", bzw. die Sachen von TheNextArt, gekommen. Die hatten halt ihre Sachen gedruckt, im Eigenverlag, und saßen in Erlangen an ihrem eigenen kleinen Stand rum. Da haben wir sieangesprochen und gemeint, wollt Ihr nicht einfach das Comicwerk-Logo draufpacken, das sieht halt gleich viel besser aus, dann haben wir noch mehr Sachen im Programm und können das noch ein bisschen besser präsentieren. Im Prinzip ist so eine Arbeit mit jedem vorstellbar. Wir können's halt nicht finanzieren, aber wenn jemand der Meinung ist, er will das Comicwerk-Logo draufmachen, da kann man drüber reden.

PANEL: Der Vorteil wäre vor allem, dass die Sachen über euren Vertrieb laufen würden?

Gramsch: Richtig, Comic und Spiele in Berlin. Der kümmert sich sehr liebevoll um unsere Sachen und um uns, hat eine eigene Comicwerkseite im Shop, übrigens stehen die bei ihm auch ganz vorne im Laden, genauso wie zum Beispiel die Sachen von Eidalon. Gringo hat er auch. Da wäre das dann also mit dabei. Und wir würden die Sachen auch mitnehmen zu irgendwelchen Messen, wo derjenige nicht dabei sein kann. Beziehungsweise, wenn sich eine Messe auftut, wo jemand mit dabei sein möchte, kann man den Tisch teilen, was monetär ein bisschen besser kommt.

PANEL: Wenn jemand es unbedingt drauf anlegt, bei LOA einen Comic unterzubringen, was sollte er machen?

Gramsch: 'Ne gute Geschichte? Es ist halt so 'ne Sache, in erster Linie muss es uns gefallen. Was aber gar nicht so schwer ist, denn die meisten Sachen fallen schon in die Kategorie. Ich habe schon das Gefühl, dass wir mit LOA im Internet stark polarisieren. Du hast vorhin von der Bandbreite gesprochen, die haben wir auch, aber ich hab schon das Gefühl, dass die Leute, die mit uns in irgendeiner Form arbeiten möchten, von vornherein auf unserer Wellenlänge sind. Also jemand, der quietschbunte, kleine süße Gummibärchen malt, wird vermutlich mit unseren Sachen nicht viel anfangen können und kommt auch nicht unbedingt auf die Idee, uns die Sachen zu schicken.

PANEL: Andererseits, "Familie Tschiep" ist schon sehr niedlich.

Gramsch: Ja, richtig, ich persönlich fand aber, dass der Strich an einigen Stellen ziemlich eigen war. Es war nicht Fix und Foxi. Vom Stil her hat es mich mehr an Sachen wie die Clerks-Cartoon-Serie erinnert. Und die "Fliegenstube" ist natürlich auch so, aber dafür sind teilweise die Witze ganz schön bissig, und das passt dann halt auch wieder. Aber es ist erstaunlich, wieviel Zeug wir kriegen, das von vornherein schon meinen Geschmack trifft, und im zweiten Zug auch den von Guido.

PANEL: Wie macht Ihr das überhaupt, legt Ihr die Sachen zusammen und entscheidet gemeinsam, oder hat jeder von euch Lieblingscomics, die er drin haben will und wo er auch nicht von abgeht?

Gramsch: Normalerweise machen wir das gemeinsam. Wir arbeiten ja recht eng an allen möglichen Projekten zusammen, und dann gucken wir halt drüber, sagen, was uns dazu einfällt, und stellen zusammen, wie was in welcher Reihenfolge präsentiert wird.

PANEL: Gibt es bestimmte Sachen, auf die Ihr besonders ansprecht?

Gramsch: Ich weiß nicht. Abgedrehtes Zeug. Ich meine damit noch gar nicht mal unbedingt, ein cooler Stil oder so was. Ich weiß nicht. Ich sehe zwar eine klare Linie bei den Sachen, die wir bisher gemacht haben, aber ich könnte sie Dir nicht genau benennen. Zum Beispiel "Mundkopf" von Katrin, da hatten einige durchaus Bedenken, ob man das bringen kann, weil das ja doch ein bisschen sehr morbid ist, ein bisschen sehr schräg, aber ich finde das so cool, ich find' das so großartig, Ich war total begeistert, von vornherein.

PANEL: Worauf achtet Ihr mehr? Text oder Zeichnungen?

Gramsch: Eigentlich gibt es keine Präferenz. Es kommt halt ein bisschen drauf an, was für die Story wichtiger ist. Natürlich bin ich ja in erster Linie Zeichner und dann erst Autor, weswegen ich mir zuerst die Bilder ansehe, aber ich versuche da einigermaßen objektiv zu sein und keine Tendenz in eine der beiden Richtungen anzulegen. Wir achten aber schon darauf, dass sowohl die Zeichnungen als auch die Texte einen gewissen Standard haben, und wenn es an der einen oder anderen Stelle etwas haken sollte, versuchen wir darauf hinzuweisen, damit beides zusammenpaßt.

PANEL: Wie schätzt Du die Comicszene in Deutschland ein?

Gramsch: Ich finde die Szene in Deutschland recht übersichtlich. Ich denke, dass die Szene momentan sehr belebt wird durch Independent-Publikationen. Da sind die Leute, die wirklich mit Herzblut dransitzen, die ganz dringend Comics machen möchten. Ich glaube, dass die größeren Verlage sich eingeschossen haben auf eine bestimmte Linie, die zu durchbrechen - wenn sie das schaffen, das wird interessant. In Erlangen hatte ich auch das Gefühl, dass viele sehr in Lauerstellung sind, was denn das nächste große Ding nach Manga sein wird. Ich denke, dass die Manga-Szene sehr vielfältig ist, aber noch vielfältiger sein könnte. Das bisschen, was ich mitbekomme aus Japan, da haben wir hier nicht mal ein Fünftel von, rein stilistisch und von den Geschichten, die erzählt werden können. Ich denke, da muss sich noch was tun. Das ist auch einer der Gründe, warum wir bei LOA mittlerweile viel Manga bringen, die halt von dieser Szene beeinflusst sind.

PANEL: Hast Du das Gefühl, dass es zwischen Manga und anderen Szenen inzwischen mehr Übergänge gibt als früher?

Gramsch: Ich denke, ja. In Leipzig merke ich das sehr deutlich, wenn Leute, die vor vier, fünf Jahren mit unseren Sachen gar nichts anfangen konnten, sich jetzt auf einmal sehr wohl mit den Geschichten und dem Zeichenstil und der Erzählweise auseinandersetzen. Das heißt ja auch nicht, dass sie vom Manga abrücken sollen, um Gottes Willen. Ich fände es halt sehr schön, wenn sich die Szene ein bisschen öffnen würde, in alle Richtungen. Nur weil ich gerne amerikanische Comics lese, heißt das noch lange nicht, dass ich französische Comics blöd finde. Aber das hast Du, glaub ich, sehr häufig in der Szene, dass man sehr im eigenen Saft kocht.

PANEL: Wie siehst Du Comicwerk in der Szene?

Gramsch: Ich denke, dass wir uns, was den Heftemarkt angeht, doch ganz gut etabliert haben. Es gibt Besucher von Messen, die in der ersten Viertelstunde direkt zu uns kommen und fragen, ob's ein neues Heft gibt. Wir haben auch Leute, die uns nicht kennen, aber sich halt gerne... Meine Lieblingsgeschichte ist die von dem Herrn in Leipzig, der ein Heft gekauft hatte, am Freitagabend, und am Samstagmorgen kurz nach Eröffnung der Messe wieder vor mir stand und meinte, er hätte das gestern abend gelesen und war so begeistert, er nimmt jetzt die anderen auch alle mit. Und ich habe in Erlangen gemerkt, die Leute von den anderen Ständen kommen vorbei und sagen hallo, man kennt sich mittlerweile und freut sich, einander zu sehen, da haben wir ganz gut Fuß gefasst. Was das Internet angeht, denke ich halt, die Zugriffszahlen sagen, wir haben unsere Leserschaft. Aber ich habe das Gefühl, dass das Internet-Ding so eine Art Zubrot ist für die Hefte. Ganz merkwürdig.

PANEL: Siehst Du das Internet als Konkurrenz zum Heft?

Gramsch: Nein, eigentlich nicht.

PANEL: Ich frage, weil, zumindest bei Alina, und ich glaube auch bei Biien habt Ihr ja einige Seiten rausgenommen, seit die als Heft erschienen sind. Als Anreiz zum Kaufen?

Gramsch: Richtig. Das ist die Idee dahinter. Interessanterweise haben wir viele Leute, die es nicht mögen, am Monitor Comics zu lesen, die drucken sich das aus, und wenn es gedruckt ist, kaufen sie's trotzdem. Ist natürlich cool. Aber im Prinzip ist es halt so: Wir wollen Previews bringen von den Sachen, die gedruckt wurden, mit dem Hinweis, dass es jetzt gedruckt ist, und wenn man mehr lesen möchte - drei Euro ist halt nicht die Welt.

PANEL: Von "Blue Evolution" erscheinen ja nur Previews.

Gramsch: Ist richtig. Wir wollten halt den Zusammenhalt deutlich machen zwischen den beiden Projekten, nicht nur durch die Fahne auf dem Cover, sondern auch im Internet, und das war, was ich bekommen habe. Und ich denke, man kann vielleicht nicht die Geschichte richtig nachvollziehen, aber man kann sich einen Eindruck davon machen, wie das aussieht. Und das funktioniert ganz gut, und sie haben sich auch ganz gute, repräsentative Seiten ausgesucht.

PANEL: Aber wenn man ein Heft im Internet liest, möchte man doch auch ganze Geschichten, nicht Werbung für ein anderes Heft? Wenn man LOA als Heft lesen möchte, erscheint das ja doch ein bisschen wie eine Mogelpackung.

Gramsch: Ich habe das nicht als Werbung gewertet, im schnöden Sinne, also nicht mehr als Werbung als jeder andere, der die Plattform für sich nutzt. Aber zum Beispiel auch... ich hinke ein bisschen hinterher, ich muss das mal wieder aktualisieren, aber normalerweise, wenn etwas in irgendeiner Form gedruckt wird, dann schreibe ich das auch nochmal irgendwo hin. Ob das dann rausgenommen wird oder nicht, das liegt beim Zeichner. Aber ich versuche schon, den Leuten zu sagen, guckt mal, Jungs, hier liegt es, und da könnt Ihr's kaufen. Einfach weil ich halt möchte, dass die Leute ein bisschen was haben außer Leserschaft. Das ist ja auch schön, wenn ich eine Plattform geben kann, mache ich das gerne, aber wenn halt gar nichts dabei rumkommt, dann ist es ja auch mau.

PANEL: Ich habe gerade die "Meet-your-Makers"-Seite vor mir. Da gibt es fünf Gründungsmitglieder. Die einzigen beiden, die ich aktuell mit Comicwerk verbinde, sind Guido und Du. Was ist aus den anderen dreien geworden?

Gramsch: Fangen wir mit dem an, der noch am meisten zu tun hat mit uns, das ist der Jörg (Pitschmann). Jörg war praktisch der Webmaster und hat Fotos geschossen, wenn wir bei Signierstunden waren. Der hat definitiv zu viel zu tun, arbeitet rund um die Uhr und hat dementsprechend nicht mehr die Chance, aktuell was zu ändern an der Seite, kommt aber noch auf die eine oder andere Signierstunde oder zu Besuch und macht dann auch wieder fleißig Fotos. Da ist auf jeden Fall noch was dabei. Torsten (Voss) hat sich selbständig gemacht und, soweit ich weiß, den Comicbereich völlig verlassen. Was schade ist, er war wirklich großartig, aber er war auch... Auf unserer alten Seite war er genannt als "Der Denker". Er hat wahnsinnig viele Gedanken in seine Comics gesteckt, was man ihnen dann auch ansieht. War aber natürlich auch recht langsam. Und wenn Du dann noch Deine Familie versorgen musst, bleibt das natürlich ein bisschen auf der Strecke. Was wirklich schade ist. Und Uwe (Heinelt) hat ja nun auch viel zu tun, weil er ja nun viele, viele Projekte hat. Unter anderem hat er "Berlin, Berlin" gemacht, jetzt hat er gerade die BVG-Figur gestaltet, der ist auf jeden Fall noch gut dabei, aber ihm fehlt eben leider auch die Zeit. Und so sieht's eben aus. Da ist nichts Schlimmes vorgefallen, es ist nur eine Sache von Prioritäten, wenn man so möchte.

PANEL: Hast Du ein bisschen Sorge, dass Guido und Du am Ende als letzte dasteht und die Stühle hochstellen müsst? Wie siehst Du die Zukunft vom Comicwerk?

Gramsch: Ich habe eigentlich nicht vor, irgendwelche Stühle irgendwo hochzustellen. Wir werden auf jeden Fall erstmal versuchen, das so weiterzumachen wie gehabt. Wir werden in gewissen Abständen unsere Webseite neu bestücken. Es wird sicher irgendwann mal eine noch etwas besser manövrierbare Webseite geben, mir gefällt sie so weit ganz gut, aber ich denke, das geht auch noch besser. Unsere Hefte werden natürlich weitergedruckt. Wenn ich ein bisschen spinnen darf, hoffe ich, dass sich gerade im Heftbereich noch einige dazugesellen, die ebenfalls spinnert genug sind, um ihre Sachen drucken zu wollen. Ab und an hoffe ich natürlich, dass es den einen oder anderen gibt, der mir noch ein bisschen Arbeit abnimmt, das wäre natürlich nicht schlecht. Ich weiß aber immer nicht genau, wo, was man da abgeben kann.

PANEL: Aber erstmal einfach weiter, wie's läuft.

Gramsch: Ich bin da auch stur. Ich lasse mich nur ungern wegdrängen. Momentan sehe ich auch keinen Grund dafür. Erstens will mich keiner wegdrängen, zweitens läuft's ja relativ gut. Von daher sehe ich keine Veranlassung, dass irgendwo irgendwelche Stühle hochgestellt werden. Aber selbst wenn der Fall eintreten sollte, so leicht lasse ich mich da nicht unterkriegen.

PANEL: Es kann natürlich sein, dass irgendwelche Familien versorgt werden müssen, wie bei Uwe und Torsten...

Gramsch: Völlig richtig. Unter den Umständen würde ich vermuten, dass entweder ein paar Sachen ausgelagert werden oder das ein bisschen eingeschränkt wird, dass eben nur noch zwei Ausgaben pro Jahr kommen oder dass mal ein Jahr ausgesetzt wird, was Hefte angeht, was ich aber eigentlich nicht glaube. Dafür sind wir auch mit zuviel Herzblut dabei. Guido hat ja auch recht viele Projekte, aber für Biien hat er immer noch Zeit gehabt.

PANEL: Wieviel Arbeit ist LOA überhaupt?

Gramsch: 'Ne Menge. Wenn ich Dir darauf eine richtige Antwort geben würde, würde es bedeuten, dass ich organisiert wäre. Ab und an werde ich von Stephan Hölting unterstützt, der bisher viel zu selten genannt wurde in diesem Interview, weil er auch eine große Hilfe ist, auch viele Sachen mitorganisiert. Denkt sich Sachen aus und hilft, wo er kann. Das sollte man definitiv auch mal erwähnen. Er kümmert sich auch darum, dass ein bisschen Werbung gemacht wird auf irgendwelchen Seiten, er schreibt Leute an, holt auch mal den einen oder anderen Zeichner - er ist 'ne große Hilfe.

PANEL: Er steckt ja auch ziemlich in oder hinter der Sache mit der Sonderausgabe zum Jubiläum.

Gramsch: Völlig richtig. Im Prinzip war das größtenteils seine Idee. Er hatte die Idee, überhaupt was zu machen zu 5 Jahren Comicwerk. Ich glaube, er hatte an eine Art Galerie gedacht, und ich meinte, dass man durchaus auch Leute bringen kann, die entweder noch gar nicht dabei waren oder vor langer Zeit mal dabei waren oder eben schon Rang und Namen haben in unserer überschaubaren Szene, und dann hatte Stephan die Idee, dass man die Leute doch unsere Figuren zeichnen lassen könnte. Also nicht einfach ein Pin-Up-Bild malen über irgendwas, sondern dass man halt entweder jemand von "Der Drei" zeichnet oder "Blue Evolution" oder Biien oder Alina oder Conny. Die Serien, die am längsten gelaufen sind, und die am meisten Erfolg hatten, was man ja durchaus mal mitkriegt.

PANEL: A propos Erfolg, den Ihr mitkriegt, wie sind überhaupt die Reaktionen auf LOA? Kriegt Ihr da viel mit außer den Leserzahlen? Die können ja trügen, es kann sich ja auch einer zu euch verirrt haben...

Gramsch: Ab und an kommt mal eine Fanmail, das ist sehr schön, da freue ich mich. Viel höre ich bei Messen. Auf die Hefte gibt es natürlich Reaktionen und Rezensionen. Im Allgemeinen habe ich das Gefühl, dass unsere Leserschaft vielleicht ein bisschen stiller ist, aber wenn sie was zu sagen haben, dann auf jeden Fall durchweg positiv. Ich versuche auch, möglichst sofort auf Fan-Mails zu antworten. Mir ist das wahnsinnig wichtig, den Leuten Fragen zu beantworten und auch mal Sachen, die sie nicht verstanden haben, zu erklären. Um nochmal auf die statistischen Zahlen einzugehen: Ist natürlich richtig, Leute können sich da mal verirren, aber wenn man einen gewissen Stand hat und den Woche um Woche hält, kann das eben auch nicht nur Zufall sein.


Fünf Jahre LOA & INKplosion:
Interview mit Michael Vogt (INKplosion)

PANEL Online, Ausgabe zwei, November 2006
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